Bad Driburg (red). „Jede Frau sollte ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben führen können“ - mit diesem Grundanliegen bietet die in Trägerschaft des AWO Kreisverbandes Höxter e.V. geführte Frauenberatungsstelle flächendeckend im gesamten Kreisgebiet von Gewalt betroffenen oder bedrohten Frauen kompetente Beratung und Unterstützung an.

„Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter und kommt in unzähligen Facetten vor,“ informiert Mareike Stöver. Zusammen mit ihrer Kollegin Nadja Lang berät sie betroffene Frauen und ihre Helfer:innen zu Themen wie häusliche Gewalt, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, Stalking, digitale Gewalt, Zwangsheirat und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Das Thema häusliche Gewalt ist nach wie vor Hauptthema, warum Frauen die Beratungsstelle aufsuchen. Sie bezeichnet nicht nur körperliche Verletzungen, sondern auch Verletzungen der Seele, der Gesundheit und der Freiheit. Tritte, Schläge, aber auch Erniedrigungen, Drohungen, Kontaktverbote, bewusste Isolation, Kontrolle der Finanzen und Erzwingen sexueller Handlungen sind nur einige Beispiele für Gewalt, denen Frauen in ihrem häuslichen Umfeld ausgesetzt sein können. Dabei handelt es sich nicht immer ausschließlich um den Ehemann oder Partner, sondern durchaus auch um andere Menschen, die die betroffene Frau im häuslichen Umfeld als Täter oder Täterin angehen: der vor längerer Zeit verlassene Freund, das erwachsene Kind, der Vermieter, der Mitbewohner. Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten und aller Nationalitäten können Opfer von Gewalt sein. Viele Frauen sind betroffen. „Scheuen Sie sich nicht Hilfe zu holen“, rufen die Beraterinnen Lang und Stöver auf.

„Neben aufbauenden Gesprächen unterstützen wir die Frauen, unter anderem, Wege aus der Gewaltspirale zu erarbeiten, zeigen Möglichkeiten der Existenzsicherung auf, begleiten bei Bedarf zur Polizei oder Rechtsanwält:innen und helfen bei Ämtergängen und Anträgen,“ berichtet Stöver. Thematisiert werden oftmals auch gesundheitliche Probleme, die sich unter Umständen im Lauf von Jahren eingestellt haben und häufig Ausdruck der psychischen Überforderung und Hilflosigkeit sind. „Grundsatz der Beratungsarbeit ist die Hilfe zur Selbsthilfe in ein eigenständiges Leben ohne Gewalt, Unterdrückung und Bevormundung,“ ergänzt Lang.

Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das auch heute noch häufig im Verborgenen bleibt. Die anhaltende Pandemie verstärkt vielerorts dieses Problem. Während der Corona-Krise kann es durch Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens, beengte Lebensumstände, finanzielle Sorgen, fehlende Kinderbetreuung und wenig Rückzugsmöglichkeiten zu mehr Ängsten und Stresssituationen innerhalb der Familien kommen. Fehlende Kontakte und weniger soziale Kontrolle durch Schule, Kindertagesstätte, Arbeit oder Verwandte können außerdem dazu führen, dass potenzielle Opfer häuslicher Gewalt seltener Unterstützung suchen.

Dennoch war in der Beratungsstelle gegen Gewalt an Frauen ein Anstieg des Hilfegesuchs von Frauen, besonders während des ersten Lockdowns im März 2020 zu erkennen. „Die Anzahl der Gewalttaten gegen Frauen steigt in Deutschland seit Jahren und Corona verschärft das Problem massiv.“ berichtet Lang. Frauen, die in einer Gewaltbeziehung leben, sind in einem ständigen Stress- und Alarmzustand. „Einen sicheren Ort zum Ausruhen und Entspannen gibt es für diese Frauen nicht,“ ergänzt Stöver.

So war in diesem Zeitraum die Anzahl der hilfesuchenden Frauen doppelt so hoch wie im März/April 2019. Im Vergleich auf das ganze Jahr jedoch blieb die Anzahl überwiegend gleich mit insgesamt 126 Betroffenen. Auffällig ist jedoch, dass die Intensität der Beratungen anstieg, so wurden 386 Gespräche geführt. „Frauen brauchten häufig vermehrt Gespräche und eine intensivere Unterstützung bei einzelnen Schritten. Dies lässt sich wahrscheinlich damit begründen, dass durch (Teil-)Schließungen der Zugang zu Ämtern erschwert war.“ begründet Lang. „Betroffene berichten seit Beginn der Pandemie von einer hohen Gereiztheit des Partners, Verschlimmerung von Gewaltausbrüchen und einer Zunahme von Aggressionen.“ so Stöver.

Die Mehrheit der ratsuchenden Frauen war zwischen 26 und 40 Jahren (45), 26 Frauen waren zwischen 18 und 25 Jahren, 17 zwischen 41 und 50 Jahren, neun zwischen 51 und 60 Jahren alt, acht Frauen waren über 60 Jahren alt. Die meisten Ratsuchenden waren im letzten Jahr deutscher Herkunft mit und ohne Migrationsgeschichte (85), gefolgt von Frauen mit Fluchterfahrungen (30). Bei elf Frauen wurden keine Angaben zur Herkunft gemacht. Mehr als die Hälfte der Frauen lebten mit Kindern zusammen.

Den Mitarbeiterinnen ist es ein großes Anliegen, auch die (sexualisierte) Gewalt an Kindern und Jugendlichen sowie gegenüber Männern zu thematisieren. „Auch Männer erleben in dieser schweren Zeit vermehrt Gewalt. Leider gibt es in Deutschland nur vereinzelt spezialisierte Männerberatungsstellen, hier vor Ort bisher gar keine“, so Lang.

Die beiden Beraterinnen bedauern, dass durch die momentan anhaltende Pandemie etliche Präventions- und Informationsveranstaltungen, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit Schulen in Form von Workshops oder Vorträgen, ausfallen mussten. „So war ein wichtiger Teil unserer Arbeit zeitweise auf Eis gelegt,“ bedauern Stöver und Lang. „Denn Opferschutz bedeutet auch, frühzeitig über Warnsignale von heranwachsender Gewalt aufzuklären und bestehende Hilfsangebote vorzustellen“.

Das bestehende Konzept der Frauenberatungsstelle wurde im vergangenen Jahr überarbeitet und kann ebenso wie aktualisierte Flyer und Plakate auf der Internetseite des AWO Kreisverbandes Höxter e.V. ( ww.awo-hx.de) eingesehen und heruntergeladen werden.

Finanziert wird die Beratungsstelle durch Landeszuschüsse und durch Fördermittel des Kreises Höxter, des Zonta-Clubs Höxter sowie durch Eigenmittel des AWO Kreisverbandes Höxter. Unterstützung in jeglicher Form bekommen die beiden Beraterinnen Mareike Stöver und Nadja Lang, die jeweils mit einer halben Vollzeitstelle in der Frauenberatungsstelle beschäftigt sind, u.a. durch die Gleich-stellungsbeauftragte des Kreises Höxter und die Gleichstellungsbeauftragten der einzelnen Städte des Kreises sowie vom Zonta-Club Höxter. Sie alle hatten sich mit dem Arbeitskreis „Gegen Gewalt an Frauen und Kindern im Kreis Höxter“ in intensiver Vorarbeit und mit großem Engagement für die Einrichtung dieses Hilfsangebots im Jahr 2015 eingesetzt und am Konzept für die Beratungsstelle mitgewirkt.

Persönliche Termine finden weiterhin unter Beachtung der bekannten Hygienevorschriften und nach vorheriger telefonischer Vereinbarung statt, aber auch Telefon- oder Mailberatungen sind möglich. „Uns ist es wichtig gerade in dieser Zeit, wo Frauen mehr denn je von Gewalt bedroht sind, weiterhin für die Betroffenen da zu sein!“ so Stöver und Lang.

Die Beraterinnen weisen zusätzlich auf Angebot des Frauen- und Kinderschutzhauses des Kreises Höxter hin, welches unter der Nummer 0171 5430155 zu erreichen ist. Unter der Nummer 08000 116 016 bietet das bundesweite „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“ – auch via Online-Beratung – Unterstützung in verschiedenen Sprachen für Betroffene aller Nationalitäten, mit und ohne Behinderung – 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Auch Angehörige, Freundinnen und Freunde sowie Fachkräfte werden hier anonym und kostenfrei unterstützt.

Telefonische Erreichbarkeit der Beraterinnen von montags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr und freitags von 9 bis 12.30 Uhr unter den Telefonnummern.: 0160937930 -30 oder -35 sowie per E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Standorte:

Höxter: AWO Familienstützpunkt, Gartenstraße 7

Bad Driburg: AWO Geschäftsstelle, Caspar-Heinrich-Str. 15

Steinheim: AWO Familienstützpunkt, Pyrmonter Str. 8

Peckelsheim: Rathaus Peckelsheim, Abdinghof 1