Kreis Höxter (red). „Die Zahl der Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdung ist alarmierend. Die Steigerungen in den Jahren 2021 und 2022 enorm und erschreckend. Doch gleichzeitig sind sie auch ein Zeichen dafür, dass die Schutzsysteme jetzt besser greifen“, bewerten Loreen Lensdorf, jugendpolitische Sprecherin der Kreis-SPD, und Dr. Dennis Maelzer, der familienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, die Entwicklung der Kindeswohlgefährdung im Kreis Höxter. Ihren Aussagen liegen die Angaben des Landesbetriebs „Information und Technik“ (kurz: IT.NRW) zugrunde.

Dennis Maelzer erläutert: „So häufig wie nie musste das Jugendamt im Kreis Höxter im vergangenen Jahr Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdung prüfen. Mehr als 1100 Mal. Das erschreckende Ergebnis: Beinahe jeder dritte Fall offenbart mindestens latente Kindeswohlgefährdung, bei rund einem Drittel stellte das Jugendamt einen Hilfebedarf fest.“

Im Fünf-Jahres-Vergleich hat sich die Zahl der Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdung im Kreis Höxter von 577 auf 1 186 mehr als verdoppelt. Nach Angaben von IT.NRW als Statistisches Landesamts sind die Verfahren zur Einschätzung von Kindeswohlgefährdungen 2022 auf dem Höchststand. Eine akute Kindeswohlgefährdung liege vor, wenn das Kind einen erheblichen Schaden erleidet oder sogar das Leben bedroht ist. Dazu zählten körperliche und sexualisierte Misshandlungen. Aber auch psychischer Druck und Vernachlässigung könne lebenslange Narben hinterlassen und stelle eine Gefährdung dar, führt Loreen Lensdorf aus. Die SPD-Kreispolitikerin, die dem Jugendhilfeausschuss Kreis Höxter angehört: „103 Mal sah das Jugendamt Höxter im vergangenen Jahr akute Kindeswohlgefährdung in Familien gegeben.“ Im Kreis Höxter scheine die Sensibilität für Kinderschutz zu wachsen. Die meisten Meldungen kommen von Institutionen wie Polizei, Schule oder Kita. Loreen Lensdorf: „Ich bin allen Beteiligten, die genau hinsehen, ebenso wie dem Jugendamt sehr dankbar. So erreichen wir besser, dass die Kinder hier bei uns gut und geborgen aufwachsen.“ 

NRW-weit sieht es ähnlich aus

Im Kreis Höxter sieh es ähnlich aus, wie in ganz Nordrhein-Westfalen. Fast 57.000mal mussten die Jugendämter im vergangenen Jahr entsprechende Fälle prüfen. So oft wie noch nie. Weshalb die Zahlen seit 2020 so stark steigen, sei bisher unklar. „Leider scheint die Entwicklung dieser hohen Zahlen seit Beginn der Corona-Pandemie nicht zu sinken. Wir müssen wissen, ob der Höchststand an Meldungen auf ein gestiegenes Bewusstsein oder auf einen tatsächlichen Anstieg der Gewalt und Gefährdungen zurückzuführen ist“, unterstrich Dennis Maelzer. „Darum braucht es jetzt eine unabhängige Studie, um die Ursachen der hohen Fallzahlen aufzuklären.“

Wie IT.NRW berichtetet, ist in fast 14.500 Fällen entweder eine latente oder sogar eine akute Kindeswohlgefährdung festgestellt worden. Landesweit wurde in 19.670 Fällen keine Kindeswohlgefährdung, aber ein Hilfebedarf festgestellt. In 22.833 Verdachtsfällen lag weder eine Kindeswohlgefährdung noch ein Hilfebedarf vor.

Foto: Isabella Thiel